von einen SCHEIßTEXTen und Klokünsten

Ich frage mich, wie man so einen Text beginnt. In medias res, mit kurzem Prolog, oder mit einem schnittigen Zitat? Oder mit einem: Hallo, mein Name ist Monika und ich möchte heute einen Text über DAS SCHEIßEN schreiben – inspiriert wurde ich dazu von… Ja, ich denke, das ist ein guter Start. Beginnen wir mit Zitaten, die darauf verweisen, dass nicht ich das Ferkel bin, sondern schon große Künstler vor mir, sich umfassend mit dem Scheißen befasst haben. ((Man beachte das fehlende *innen))

Zum Beispiel: Friedensreich Hundertwasser, in seinem Manifests der „Scheisskultur“ oder „die heilige Scheisse“ (1979). Ja, es handelt sich um denselben Friedensreich Hundertwasser, der bekannt ist für seine bunten Farben und spiralförmigen Formen, für den an einem Regentag die Farben zu leuchten beginnen und der der geraden Linie einst Gottlosigkeit zusprach. Doch so pathetisch sich die Seelen seiner Thermengäste um mittlerweile unverschämte Summen an seinen kunstvollen Säulen winden, oder: so schwindlig einem tatsächlich beim Gang auf die Blumauer Toilette wird, weil es eben keine gerade Fließenlegung gibt – so gerade und direkt sind seine Worte, wenn es um das menschliche Seelenheil geht:

DIE SCHEISSE IST UNSERE SEELE.
DURCH DIE SCHEISSE KÖNNEN WIR ÜBERLEBEN.
DURCH DIE SCHEISSE WERDEN WIR UNSTERBLICH.

Mir gefällt der Gedanke daran, am Tage des letzten Gerichtes nicht die guten gegen die schlechten Taten aufzuwiegen, sondern schlichtweg die Scheiße Baustein unserer Wiederauferstehung werden zu lassen.

Mir scheint, je älter die Männer werden, desto lustvoller äußern sie sich auch zum SCHEIßEN. Betrachtete es Jandl 1977 noch als eine Herausforderung, auf der Landkarte der Poesie weiße Flecken zu versprachlichen, so ändert sich sein Fokus von der einstigen Lautmalerei, der Durchbrechung der Sprachnormen hin zur Veranschaulichung einer heruntergekommenen Sprache, die ihre Selbstverständlichkeit als Ausdrucksmittel verloren hat. Besonders in seinen späten Werken finden sich Gedichte, die wenig experimentell sind, gerade alltagssprachlich anmuten.
In aian orphischn oaschloch druckts es maunchmoe a batzal  und der lyrikklistier (der sich, wie die Literaturkritik nach wie vor stolz vermerkt, durch seine besondere Lautqualität auszeichnet) gibt dem Silbenschiss die Hand, dem nichts mehr heilig ist. Ich klebe an gott, so wird gejandelt, dem allmächtigen vater/ schöpfer des himmels und aller verderbnis/ und an seinem in diese scheiße hineingeborenen sohn.
Und nicht zuletzt fügt er hinzu: ich scheiß auf die sonne.

Was hat es mit der Kunst und dem Scheißen auf sich, überlege ich?
Ist es der Wunsch, „die Intensität und damit das Spektrum des menschlichen Empfindens maximal zu steigern“ (Nitsch) oder der Versuch einer Provokation, wie am Beispiel Manzonis „Merda d’artista“ , einem Verpacken der eigenen Ausscheidungen in 90 Dosen (meine Kunst ist wirklich Scheiße)

Strebte man in den Happenings der 1960er Jahre noch danach, die Idee wichtiger als das Genie sein zu lassen, scheißen in der aktuellen Kunst maximal die Vögel vom Himmel (Kantereit). Es geht nicht mehr darum, mit Ausscheidungen etwas auszudrücken, sondern vielmehr selbst verkommene Orte zu kunstvollen Sphären mit Mehrwert werden zu lassen. Hängen Sie sich St. Paulis Klosprüche in ihr Wohnzimmer, heißt es – Jan Delay findet das geil. Klokunst bekommt einen hashtag, und das stille Örtchen wird, zumindest in den Kommentaren der User*innen zum Anlass, die Sau raus zu kommentieren: „Wie Adolf Hitler sitz‘ ich hier, die braune Masse unter mir“ , eng gefolgt von „… ob ich denke oder pisse, alles fließt ins Ungewisse!

Ist der Klospruch die Metaphysik der Gottlosen? Ist es, wie Hundertwasser konstatiert, unser PRIVILEG, ZEUGE ZU SEIN,
WIE SICH MIT HILFE UNSERER WEISHEIT
UNSERE EIGENE SCHEIßE IN HUMIUS verwandelt; Humus als: der Geruch Gottes, der Geruch der Wiederauferstehung,
der Geruch der Unsterblichkeit?

Maybe. (She’s gonna be the one that…)




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