Erdecken

„Aber eines Tages, wenn sie durch Zufall auf meine endgültige Form stoßen, werde ich entweichen und mich selber träumen können, vibrierend vor Wirklichkeit“ *

„Ich bin ein Dreieck“, sagt B. „Ich bin spitz und ich ziehe mich in eine Richtung“. „Ich denke, dass du eher eine Art Würfel bist“, sage ich und frage mich, wo mein Körper anfängt und wo ich bereits in B. übergeflossen bin.
„Ich bin einfach kein Kreis“, sagt B. verzweifelt und ich versuche ihn zu beruhigen, indem ich ihm versichere, dass es reicht, dass allein die Erde unter ihm rund sei, was ihn besänftigt.

Sanft sind auch meine Hände. Sie sind weich und fühlen sich geschmeidig an. Ich kann nicht mehr von meinen Fingern lassen, streiche sie lang und länger und ziehe einen hellen Strahl aus meinen Fingerkuppen. Ein Plasma ergießt sich aus meinen Handtellern in den Raum, meine Aufmerksamkeit folgt einem Licht gen Deckenwand, auf der sich bienenwabenartige Fraktale und Gitter formen. Muster legen sich in Schichten übereinander, werden endlos und rotieren, begleitet von dem Wellenhub der Wände: eine Symphonie. Ich beschließe, für den Rest meines Lebens zwischen kristallinen Formen zu wohnen und schlafe in ihnen ein.

Kaffee, fragt B.
„Uaä“, sage ich und mein Mund
schmeckt nach Nüssen.
Ein zerknitterter Zettel liegt am Küchenboden, ich bücke mich, hebe ihn auf den Küchentisch und lese die krakelige Schrift laut vor
weil ich DIE Erde bin“, lese ich
„… macht es nichts, dass ich aus Ecken bin“, ergänzt B. und sieht dabei glücklich aus.

*Juan J. Arreola, confabulario total, 1962

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